Kinder umarmend auf Bank sitzend

Jeder kann lernen, toleranter zu werden

Am 16. November ist der internationale Tag für Toleranz. Ein guter Anlass, über diese Eigenschaft nachzudenken, denn sie ist die Basis für ein gutes Miteinander. Die gute Nachricht: Jeder von uns kann lernen, toleranter zu sein. Wie das geht, erfährst du hier.

Ein Schleicher im Auto vor dir, der qualmende Grill vom Balkon deines Nachbarn, die nervige neue Lieblingsband deiner Freundin – was dem Einen nur ein nachsichtiges Lächeln auf die Lippen zaubert, bringt den anderen schnell auf die Palme. Keine Frage, in Sachen Toleranz gibt es große individuelle Unterschiede in Deutschland und das hat Auswirkungen im Kleinen wie im Großen. „Je intoleranter ein Mensch ist, desto mehr Probleme hat er mit der Andersartigkeit seines Gegenübers und umso höher ist das Konfliktpotential“, erklärt die DAK Diplom-Psychologin Franziska Kath.

Geprägt von Kindesbeinen

Unser enges soziales Umfeld und schlechte Erfahrungen im Lauf des Lebens legen die Basis für unsere Vorurteile – und dafür, was wir tolerieren und was nicht. Umgekehrt zeigen Studien allerdings auch, dass Toleranzfähigkeit trainiert und verbessert werden kann. Für eine Studie der Universität Jena führte Prof. Dr. Andreas Beelmann drei Jahre lang an fünfzehn verschiedenen Schulen mit 400 Zweit- und Drittklässlern ein von ihm entwickeltes Toleranz-Programm durch. Der Konfliktforscher setzte dabei auf die Vermittlung von Wissen über andere Kulturen und Nationen, spielerische Kontakte zu Gleichaltrigen verschiedener ethnischer Herkunft und die Ausbildung sozial-kognitiver Fähigkeiten. Die Kinder übten sich mithilfe von Spielen in Empathie oder lernten, Probleme aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und zu lösen. Die Auswirkungen auf das Schulleben waren deutlich: Das Lernklima an der Schule verbesserte sich extrem.

Toleranz sorgt für mehr Gelassenheit

Was bei den Kleinen funktioniert und ihren Alltag so viel fröhlicher macht, lässt sich auch auf größere Themen übertragen. „Toleranz ist schlichtweg die Basis eines friedlichen Miteinanders in unserer bunten Gesellschaft“, sagt Franziska Kath und erklärt, dass es außerdem auch Vorteile für die eigene Persönlichkeit hat. „Wer bewusst an seiner Sozialkompetenz arbeitet, ist offener für neue Begegnungen und Beziehungen und hat ein viel bunteres Leben. Toleranz sorgt aber auch für mehr Gelassenheit im Alltag, weil wir uns zum Beispiel weniger über Leute aufregen, die anders ticken als wir.“ Die gute Nachricht für uns alle: Der Alltag bietet jede Menge Gelegenheiten, in denen du die Soft-Skills für einen empathischen Umgang mit deinen Mitmenschen üben kannst. Du musst einfach nur beginnen. Wir haben die wichtigsten Tipps für dich zusammengefasst.


Toleranz trainieren: So geht’s

Hört gut zu

Jeder hat das Recht, seine persönliche Meinung zu äußern. Der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Toleranz ist, dem anderen Gehör zu schenken und zu versuchen, die Äußerungen richtig zu verstehen. Oft stellt sich dann heraus, dass auf den ersten Eindruck unsinnige Aussagen plötzlich doch ganz schlüssig sind.

Sei offen für Neues

Intolerante Menschen kennen nur zwei Dimensionen, nämlich richtig oder falsch. Tatsächlich ist das Leben wesentlich vielfältiger. Vertritt also nicht nur lautstark deine eigene Meinung, sondern lasse auch andere Gedanken oder sachliche Kritik zu. Übrigens: Offen für neue Impulse zu sein ist nicht nur ein Zeichen des Respektes, sondern auch der eigenen Stärke.

Prüfe deine Vorurteile

Zugegeben: Jeder hat so seine langgehegten Vorurteile. Das ist zwar menschlich, steht Toleranz aber oft im Wege. Deswegen ist es wichtig, sich seine eigenen Vorurteile einzugestehen und sie immer mal wieder auf den Prüfstand zu stellen. Toleranz bedeutet auch, eine andere Person nicht zu verurteilen, nur weil sie eine andere Meinung, einen anderen Glauben oder eine andere Hautfarbe hat.

Gestehe deine Ängste ein

Wenn man etwas absolut ablehnt, sollte man in sich gehen und überlegen, ob man vielleicht aus tieferliegenden Gründen Angst davor hat. Denn: Angst kann überwunden werden, wenn man die Ursache kennt und sich damit beschäftigt.

Entspann dich

Dauerstress mindert die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen und Verständnis aufzubringen. Wenn der Körper im Überlebensmodus festhängt, fehlt es deshalb oft an Rücksichtnahme und Toleranz. Daher ist es wichtig, sich regelmäßig zu entspannen, um von einem hohen Stresspegel runterzukommen.

Sei geduldig

Niemand kann von einem Tag auf den anderen ein toleranterer Mensch werden – dazu ist ein längerer Lern- und Erfahrungsprozess erforderlich. Deswegen sollte man Geduld mit sich haben und sich einfach über jeden kleinen Fortschritt freuen.

Genieße Feedback auf dein neues Verhalten

Toleranz wirkt sich auch positiv auf das Verhältnis zu anderen Menschen aus, da diese sich akzeptiert fühlen. Sobald man einmal bewusst erlebt hat, dass man Anerkennung für sein tolerantes Verhalten erntet, fällt es einem immer leichter.

Bleib immer bei dir

Denk daran, dass Toleranz nicht bedeutet, unannehmbares Benehmen zu dulden und dich zum Fußabtreter für andere zu machen. Du solltest deine eigenen Interessen immer vertreten, vor allem, wenn andere beleidigend oder aggressiv werden. Gerade in Sachen Mobbing steht Selbstschutz an erster Stelle – suche dir in diesem Fall Unterstützung bei Vertrauenspersonen!

Foto: Alto Images / Stocksy