Frau lehrt Kinder

Öfter mal Kopf stehen!

Rabea Gausepohl im Interview

Wie kann ein freundliches Miteinander von klein auf gefördert werden? Darüber haben wir mit der gebürtigen Oldenburgerin Rabea Gausepohl gesprochen. Außerdem über die Wichtigkeit von Perspektivenwechsel, Empathie und Offenheit. Rabea arbeitet seit neun Jahren als Lehrerin; seit vier Jahren unterrichtet sie am Hamburger Gymnasium Eppendorf Kunst, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Bevor die studierte BWLerin und Kunsthistorikerin zu ihrer zweiten – und wahren – Berufung fand, war sie in der Marketingabteilung eines Verlages tätig. Sie vermisste bald ihre ursprünglichen Studienfächer und sehnte sich nach mehr Sinnhaftigkeit im Job. Genau diese hat sie in ihrer Tätigkeit als Lehrerin gefunden, was man merkt, sobald man sich mit der engagierten Lehrerin, die vor allem in der Oberstufe unterrichtet, über ihren Schulalltag unterhält. 


STECKBRIEF 

Name: Rabea Gausepohl

Alter: 38

Gefühltes Alter: jünger 

Beruf: Lehrerin 

Größte Leidenschaft: Kunst

Lebensmotto: Ein Zitat von Daniel Richter – „Schönheit durch Konfusion. Wahrheit durch Kollision.“ Für mich bedeutet es, dass man nur in der Auseinandersetzung und mithilfe ehrlicher Kommunikation zur Wahrheit kommt.

Lehrerin Rabea Gausepohl, Foto: Julia Steinigeweg


DER GESUNDE AUSTAUSCH mit Rabea Gausepohl

Nach welcher Devise lebst du?
Für mich sind Humor, Offenheit und Klartext extrem wichtig.

Gibt es ein Vorbild in deinem Leben, an dem du dich orientierst?
Es gibt keine explizite Person, an der ich mich orientiere. Ich glaube, ich orientiere mich eher an den zuvor genannten Werten wie Klartext und Offenheit. Vor allem Ehrlichkeit ist mir wichtig.

Was können wir von jüngeren Menschen lernen?
Leichtigkeit. Also die Dinge nicht so ernst zu nehmen und nicht so viele Bedenken zu haben. Und Begeisterungsfähigkeit, vor allem von ganz jungen Menschen. Sowie die Fähigkeit, unkonventionelle Ideen zu entwickeln. Diese Fähigkeit hängt wahrscheinlich auch wieder damit zusammen, nicht so viele Bedenken zu haben und somit ein bisschen freier in der Kreativität sein zu können.

Was können jüngere Menschen von Erwachsenen lernen? 
Stabile Beziehungen zu führen, Durchhaltevermögen und Resilienz.

In Dänemark lernen Lehrer in Seminaren, wie sie ihren Schülern die Fähigkeit zu mehr Mitgefühl und Freundlichkeit vermitteln können. Kinder zwischen sechs und 16 Jahren haben eine Stunde in der Woche Unterricht in Empathie. Wäre solch ein Schulfach deiner Meinung nach auch in Deutschland sinnvoll? 
Ich glaube, dass in unseren Schulfächern, die Kompetenzen, die Empathie fördern, bereits fest integriert sind und an die Schüler vermittelt werden. Also beispielsweise die Fähigkeit, einen Perspektivenwechsel einzunehmen und aus anderen Perspektiven argumentieren zu können. Besonders in Fächern wie Politik, Gesellschaft und Wirtschaft lernen Schüler, verschiedene Positionen einzunehmen. Und das wird auch in vielen anderen Fächern eingeübt und ist explizit in den Bildungsplänen verankert. Deshalb ist meiner Meinung nach ein einzelnes Fach wie Empathie nicht unbedingt notwendig. Aber ich kann natürlich nur für das Bundesland Hamburg sprechen.

Erlebst du Jugendliche eher als freundlich und einfühlsam oder als empathielos und unfreundlich?
Ich erlebe die Jugendlichen, mit denen ich zu tun habe, als freundlich, empathisch und vor allem auch als sehr tolerant. Tolerant anderen Schülern gegenüber, die vielleicht nicht unbedingt der Norm entsprechen sowie tolerant anderen Verhaltensweisen gegenüber.

Wie bringt man Kindern und Jugendlichen bereits von klein auf bei, sich anderen Menschen gegenüber mitfühlend zu verhalten?
Ich glaube, indem man immer wieder aufzeigt, erklärt und thematisiert, wie sich andere Menschen in bestimmten Situationen fühlen. Indem man ihnen unterschiedliche Sichtweisen aufzeigt, damit sie die Fähigkeit entwickeln, verschiedene Situationen oder Prozesse beurteilen zu können. Auf diese Weise lernen sie, aus verschiedenen Perspektiven heraus Argumente zu sammeln, um dann zu einem Urteil zu kommen.

Wie gelingt es dir, eine vertrauens- und respektvolle Atmosphäre im Klassenverband zu schaffen?
Indem ich offen und freundlich auftrete. Wenn ich eine neue Lerngruppe betrete, frage ich zunächst einmal die jeweiligen Ängste und Wünsche ab. So erfahre ich, was ihre Unsicherheiten sind und wie ich darauf eingehen kann. Außerdem bin ich sehr transparent, was meine Erwartungen angeht. Auch in der Rückmeldung bin ich sehr ehrlich, so dass die Schüler wissen, woran sie bei mir sind. Zudem halte ich es für sehr wichtig, sich regelmäßig Feedback von den Schülern einzuholen, dieses auszuwerten und mit den Ergebnissen in die Diskussion mit den Schülern zu gehen. An meiner Schule gibt es glücklicherweise eine sehr gute Feedbackkultur.

Wie wichtig sind klare Regeln und Vereinbarungen für einen respektvollen Umgang?
Klare Regeln und Vereinbarungen sind elementar, denn sie stellen die Grundlage für einen Klassenverband dar. Genau aus diesem Grund werden bereits in den unteren Klassen (ab der fünften) Klassenregeln aufgestellt, die sich explizit auf den respektvollen Umgang miteinander beziehen. Diese hängen auch für alle sichtbar im Klassenraum. Also Regeln wie „Wir lassen einander ausreden“.

Gibt es bestimmte Tricks und Regeln, die du anwendest? Und wenn ja, welche?
Neben Transparenz und Ehrlichkeit halte ich eine offene Kommunikation für enorm wichtig. Wenn ich also das Gefühl habe, dass der respektvolle Umgang unter den Schülern an einigen Stellen hakt, dann weise ich offen daraufhin und gehe dann auch direkt ins Gespräch. 

Welche Rolle spielt die Fähigkeit, Kontakt zu den eigenen Gefühlen aufnehmen zu können?
Das Verständnis für sich selbst stellt die Grundlage dafür dar, auch andere zu verstehen und Mitgefühl zu entwickeln.

Wie wichtig sind Vertrauen und die Fähigkeit, sich verletzlich zeigen zu können? 
Vertrauen ist die Basis für eine ehrliche Kommunikation. Denn man kommuniziert ja nicht ehrlich und offen über seine eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten, wenn man das Gefühl hat, seinem Gegenüber nicht vertrauen zu können. Ein vertrauensvolles Umfeld hingegen fördert Wachstum und Entwicklung.

Erfährst in deinem Arbeitsalltag häufiger von den Schülern oder von deren Eltern Dankbarkeit und Wertschätzung?
Eher von Schülern. Das liegt natürlich unter anderem auch daran, dass ich in der Oberstufe mehr mit den Schülern, als mit den Eltern zu tun habe. Am Ende der Schulzeit, nach dem Abitur, bringen mir Schüler regelmäßig ihre Wertschätzung entgegen. Es ist ein schönes Gefühl zu merken, dass man seinen Schülern ein Rüstzeug sowie Kompetenzen mit auf den Lebensweg gibt, mit denen sie auch wirklich etwas anfangen und mit denen sie die Welt gestalten können. Beispielsweise die Kompetenz, politische Urteile fällen oder wirtschaftliche Situationen beurteilen zu können.

Welchen Beitrag können und sollten Eltern leisten, damit ihre Sprösslinge zu empathiefähigen Menschen heranwachsen?
Eltern sollten Wertschätzung vermitteln und soziale Regeln und Normen vorleben. Sie sollten unterschiedliche Perspektiven aufzeigen und immer wieder thematisieren, dass sich bestimmte Menschen in bestimmten Situationen anders verhalten, weil sie sich anders fühlen und Prozesse anders bewerten, als man selbst. Außerdem finde ich es sehr wichtig, die Ambiguitätstoleranz zu stärken. Das bedeutet, dass man Kindern beibringt, mehrdeutige Situationen zu ertragen und nicht einseitig darauf zu reagieren. Dass sie also lernen auszuhalten, dass es zu bestimmten Themen mehrere Meinungen gibt und dass dieses vollkommen in Ordnung ist. Und dass gerade darin auch etwas sehr Schönes liegt.